Headshaking beim Pferd

Headshaking beim Pferd

Headshaking beim Pferd

Das als „Headshaking“ bezeichnete Krankheitsbild beschreibt ein unkontrolliertes plötzliches Kopfschütteln des Pferdes, welches wiederholt ohne erkennbaren Stimulus (z.B. Insekten) auftritt. Es handelt sich somit um eine unwillkürliche Bewegung, welche vertikal (meistens), horizontal oder rotierend ausgeführt werden kann. Zusätzlich berichten Besitzer häufig über begleitende weitere Symptome wie z.B. Reiben der Nase, vermehrtes Schnauben, intensives Lippen- und Zungenspiel. In extremen Fällen kann es dazu kommen, dass die Pferde sich komplett verweigern, also stehen bleiben, steigen, rückwärtslaufen oder sich selbst verletzen. Häufig treten die Symptome unter zusätzlichem Einfluss von (Sonnen)Licht und Wärme verstärkt auf, so dass viele Pferde im Frühjahr bis Herbst stärker betroffen sind als im Winter. Aber auch Wind, Regen oder Schnee können als Trigger fungieren.

Wenn man festgestellt hat, dass das Pferd unter „Headshaking“ leidet, gilt es als nächstes die Erkrankung zu kategorisieren. Und zwar wird zwischen einem „symptomatischen Headshaking“, welches durch eine körperliche Grunderkrankung ausgelöst wird, und einem „Idiopathischen Headshaking“, welches mit der „Trigeminusneuralgie“ des Menschen verglichen wird, unterschieden.

Eine weitere Einteilung erfolgt nach dem Schweregrad der Symptome. Newton et al. Haben im Jahr 2000 eine Einteilung von Grad 1 (intermittierend, milde Symptome) bis hin zu Grad 5 (gefährlich mit bizarren Verhaltensmustern) veröffentlicht. 2023 wurde eine neue Einteilung, unter anderem durch die Arbeit der Hannoveraner Kollegen, erarbeitet. Diese orientiert sich an der Vorgeschichte des Pferdes (History), der Symptome in Ruhe (Rest) sowie unter der Bewegung (Exercise), zusammengefasst als „History, Rest and Exercise Score (HRE-S)“. Durch ein Punktevergabesystem in den einzelnen Kategorien, erfolgt anschließend die Einteilung in einen Score 0-3.

Um festzustellen, ob das Pferd unter symptomatischem oder idiopathischem Headshaking (HS) leidet, ist zunächst etwas diagnostischer Aufwand notwendig. Dieser ist entscheidend, um das Pferd zielgerichtet behandeln zu können.

Folgende Untersuchungen sind für eine fundierte Einschätzung möglich:

  • Ausführliche Anamnese (Zeitpunkt des Auftretens, Schweregrad, Situationsbedingt? Saisonal?, Haltung/Management/Nutzung des Pferdes, bereits durchgeführte Untersuchungen bzw. Änderungen wie Augenmaske, Nasennetz o.ä.)
  • Klinische allgemeine und neurologische Untersuchung
  • Beurteilung der Symptome in Ruhe und unter der Belastung an der Longe und/oder unter dem Reiter, ggf. auch an mehreren Tagen
  • Labordiagnostik (umfassende Blutuntersuchung)
  • Maulhöhlenuntersuchung - Endoskopische Untersuchung (Atemwege inkl. Luftsäcke, Ohren), alternativ CT Kopf
  • Klinische orthopädische Untersuchung plus ggf. Bildgebung (Röntgen Kopf und Halswirbelsäule, ggf. Rücken)
  • Augenuntersuchung
  • Computertomographie Kopf (am stehenden sedierten Pferd)
  • diagnostische Anästhesie N. infraorbitalis (am einfachsten zugänglicher Unterast des Trigeminusnerven)

In Studien konnte gezeigt werden, dass das CT des Kopfes eine sehr hohe Trefferquote (in 9 von 10 Fällen) hat, was die Diagnostik eines symptomatischen Headshakings betrifft, daher freuen wir uns, dass uns diese diagnostische Option nun auch seit bereits einem Jahr (2023) zur Verfügung steht.

Sollte bereits Untersuchungen Ihres Pferdes beispielsweise durch den Haustierarzt erfolgt sein, ist es sinnvoll, wenn sich dieser mit uns in Kontakt setzt, um das Pferd zu überweisen.

Ist nach diesen Untersuchungen (Ausschlussdiagnostik) keine ursächliche körperliche Erkrankung festzustellen, wird die Diagnose „Idiopathisches Headshaking“ gestellt. Diesem liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Neuritis (Entzündung)/Neuralgie (Schmerzen im Versorgungsgebiet eines Nervens) des Trigeminusnerven zugrunde. Dieser Nerv ist der 5. Und stärkste Gehirnnerv mit zahlreichen Unterästen, welche vor allem für das sensible Empfinden im Kopfbereich zuständig sind, teilweise auch mit motorischen Anteilen. Man vermutet, dass der Schmerz entsteht, weil die Erregung also z.B. das normale Empfinden einer Berührung, fehlgeleitet wird auf Nervenbahnen, welche das Gefühl „Schmerz“ vermitteln.

Bei einem symptomatischen HS wird die auslösende Grunderkrankung behandelt. Schwieriger gestaltet es sich beim idiopathischen HS. Neben Änderungen im Management (wie Einsatz Nasennetz) wurden in der Vergangenheit verschiedene therapeutische Ansätze ausprobiert. Es stehen einige Medikamente zur Verfügung, aber auch chirurgische Therapieformen (Neurektomie, Platinumcoils) und weitere Therapien wie die Glyzerolinjektion an das Ganglion trigeminale.

Keine der Therapien funktioniert bei jedem Pferd, es läuft über das Prinzip „try and error“, was sicherlich für die Pferde und Ihre Besitzer/innen ein unter Umständen zermürbender und von Frustration geprägter Weg werden kann. Auch in der Humanmedizin ist die Erkrankung nicht leicht zu therapieren, weshalb immer weiter daran geforscht wird. Dies hat zu einem neuen Therapieansatz geführt, der sog. PENS – perkutane elektrische Nervenstimulation.

Die Tiho Hannover hat diese Therapieform in einer groß angelegten Studie auf das Pferd übertragen. Bei der minimalinvasiven Behandlung werden unter Sedation feine Elektroden unter die Haut im Bereich der Aufzweigungsstelle des Infraorbitalnerven geschoben. Um eine stabile Sedierung während der Behandlung zu erreichen, muss in Einzelfällen ein Venenkatheter gelegt werden. Dann wird der entsprechende Bereich am Kopf geschoren und gesäubert. Nach einer lokalen Anästhesie der Haut wird eine Nadel unter Ultraschallkontrolle in Richtung des Nervens geschoben. Eine weitere Nadel wird zur Erdung in die Halsmuskulatur gesetzt. Anschließend werden beide Nadeln mit dem PENS-Gerät verbunden, welches dann den Nerven mit steigender Voltanzahl elektrisch stimuliert über eine Behandlungsdauer von ca. 25 min pro Seite. Die Erstbehandlung erfolgt in 3 Sitzungen im Abstand von 2 Tagen (Montag, Mittwoch, Freitag). Es ist möglich zur Behandlung ambulant mit dem Pferd in die Klinik zu kommen. Dafür müssen Sie dann mit einem Zeitaufwand von etwa 2 Stunden pro Behandlung rechnen. Alternativ kann Ihr Pferd gerne für die Dauer der Behandlung stationär bei uns aufgenommen werden. Die Reaktion auf die Therapie kann sehr unterschiedlich ausfallen. Häufig ist es so, dass die Symptome einige Zeit nach der Behandlung (Wochen bis Monate) wiederkehren. Die PENS-Behandlung kann dann erneut durchgeführt werden, wobei sich die Behandlungsintervalle an der Symptomatik des Pferdes orientieren.

Von den meisten Pferden wird die Behandlung gut toleriert. Allerdings sind auch paradoxe Reaktionen auf die Nervenstimulation möglich, wie z.B. eine Erstverschlechterung des Headshakings zu Beginn der Behandlung. Des Weiteren sind in einzelnen Fällen lokale Reaktionen an der Einstichstelle, wie zum Beispiel Hämatome möglich. Die Pferde müssen für die Untersuchung angemessen sediert werden. Dies wird von den meisten Pferden gut toleriert, Kreislaufprobleme oder Reaktionen auf die Injektion sind selten (Risiko < 1%). Wichtig ist, dass das Pferd nach der Untersuchung etwa eine Stunde, bis es wieder ganz wach ist, keinen Zugang zu Futter und Einstreu hat. Insgesamt zeigt die bisherige Anwendung der PENS-Therapie wenig Risiken und stellt eine effektive Therapie des Headshakings dar.

Für die PENS-Therapie ist unsere internistische Abteilung unter der Leitung von Frau Weltrich zuständig. Im Rahmen der Vordiagnostik werden bei Bedarf die spezialisierten Tierärzte/-innen aus den anderen Abteilungen (Augenheilkunde, Orthopädie, Bildgebung, Zahnheilkunde) hinzugezogen. Bei Rückfragen melden Sie sich gerne jederzeit während der Geschäftszeiten bei uns in der Klinik.