Stammzellentherapie

Stammzellentherapie

Der Begriff Stammzellen ist seit längerer Zeit überall im Gespräch und erscheint immer wieder in der Presse. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Menschen hoffen, dass die Forschung mit Stammzellen die meisten Krankheitsprobleme bei Mensch und Tier lösen wird. So können wir lesen, dass im Labor neue Gewebe wie Knorpel, Nieren, Herzklappen, etc. entstehen…

So ist auch ist die Behandlung von orthopädischen Problemen beim Pferd, wie Sehnenschäden und Gelenkerkrankungen, mit Hilfe von Stammzellen seit einigen Jahren immer populärer geworden. Leider waren weltweit die Ergebnisse dieser Behandlung im Verhältnis zum Aufwand und den Kosten nicht so befriedigend, wie sich das alle (Tierärzte und Tierbesitzer) gewünscht hatten.

Bei der bislang herkömmlichen Gewinnung von Stammzellen wird Knochenmark aus dem Brustbein oder der Darmbeinschaufel des Beckens entnommen. Diese Methode ist aufwendig und zum Teil nicht risikolos. Nach der Gewinnung des Knochenmarkes wird dieses in Speziallabore eingeschickt, in denen die Anzüchtung der Stammzellen erfolgt. Der Anzüchtungsprozess dauerte ca. 2 – 3 Wochen, erst danach kann die eigentliche Behandlung des Patienten durchgeführt werden (insgesamt also meist erst nach 3-4 Wochen!). Die Behandlungsergebnisse waren danach gut, aber nicht so gut wie wir Mediziner erwartet hatten.

Nun hatte die Pferdeklinik Burg Müggenhausen seit April 2012 die Möglichkeit erhalten, an einem internationalen Projekt teilzunehmen und Erfahrung mit einer neuen Methode zur Gewinnung von Stammzellen zu erhalten. Bei diesem Projekt wird eine neue Stammzellenbehandlungsmethode aus der Humanmedizin beim Pferd eingesetzt. Erste positive Erfahrungen wurden in Amerika schon beim Pferd und Kleintier gesammelt. In Europa wurde diese Methode auf Burg Müggenhausen erstmals beim Pferd angewendet.

Was ist an dieser Methode vorteilhafter?

Das Wichtigste vorab: bei dieser neuen Methode beläuft sich die Zeit von der Gewinnung der Stammzellen bis zur Behandlung des Pferdes nur auf gute zwei – drei Stunden, die Gewinnung ist praktisch risikolos und die Kosten für den Pferdebesitzer haben sich um ca. 40 % verringert.

Bislang war die Quelle für die Stammzellen das Knochenmark. Dieses Reservoir mit sogenannten mesenchymalen Stammzellen hat der Körper angelegt, um im Falle eines größeren Blutverlustes möglichst schnell neue Blutzellen herstellen zu können– also muss man davon ausgehen, dass diese Zellen schon hinsichtlich ihrer späteren Bestimmung und Tätigkeit relativ beschränkt sind. Desweiteren weiß die humanmedizinische Wissenschaft schon lange, dass im Labor vermehrte und herangezüchtete Stammzellen oft ihre ursprüngliche Potenz verlieren. Deshalb ist es auch notwendig, immer mehrere Millionen Zellen heranzuzüchten, um über die Menge der Zellen später bei der Reparatur in der Sehne oder dem Gelenk überhaupt etwas zu bewirken zu können.

Nun hat Professor E. Alt eine neue Methode entwickelt, die in den USA schon eine gewisse Zeit eingesetzt wird. Bei seiner Methode konzentriert er sich auf eine deutlich geringere, aber  dafür leistungsfähigere Mengen an Stammzellen. Diese multipotenten Stammzellen befinden sich glücklicherweise im ganzen Körper in der mittleren Schicht der Blutgefäße. Die Natur hat diese schlafenden Stammzellen dort „geparkt“, um im Falle einer Verletzung die Zellen schnell im Körper zur Verfügung zu haben. Diese Zellen sind in der Lage, bei Bedarf, extrem schnell von der mittleren durch die innere Wand der Gefäße in den Blutstrom zu wandern, um dann dorthin transportiert zu werden, wo sie benötigt werden.

Die Kunst ist es nun, diese leistungsfähigen Zellen möglichst einfach zu gewinnen und zu konzentrieren…

Wie gewinnen wir die Stammzellen?

Um diese Zellen gewinnen zu können, haben wir uns auf das Feld der Schönheitschirurgie begeben und ihr die Fettabsaugung – oder auf Englisch „liposuction“ – abgeschaut. Warum Fettzellen, wenn man doch Stammzellen aus Blutgefäßen haben will? Dies ist einfach zu erklären: Um die Fettzellen herum befinden sich lauter kleine Blutgefäße, in deren Gefäßwand sich die zur Behandlung notwendigen multipotenten Stammzellen befinden. Die Fettabsaugung selbst ist ein kleiner Eingriff.

Unter leichter Beruhigung und lokaler Betäubung wird ein ca. 1-3 cm langer Schnitt im Bereich der Kruppe in der Höhe der Schweifwurzel (dort befindet sich ein Fettpolster) gesetzt. Durch diese Öffnung wird das Fett abgesaugt. Einfach und schmerzfrei! Die abgesaugte Zelllösung wird dann mit einem von Professor E. Alt entwickeltem Enzym versetzt und in dem klinikeigenen Labor in einem speziellen Verfahren isoliert und konzentriert. So steht uns schon nach ca. zwei Stunden das fertige Stammzellen-Konzentrat zur Behandlung zur Verfügung.

Was behandeln wir mit Stammzellen?

Routinemäßig setzen wir die Stammzellen bei Sehnenschäden ein. Dazu zählen Defekte der oberflächlichen oder tiefen Beugesehne, des Unterstützungsbands (Low check ligament), Defekte im Fesselträger (Ursprung und Schenkel) und auch bei Defekten in den Seitenbändern.

Gute Erfahrungen wurden auch bei der Behandlung von Meniskusschäden als Folgebehandlungen nach Arthroskopien gesammelt. Durch diese sehr viel einfachere und schnellere Methode Stammzellen zu produzieren, sind wir auch dabei neue Behandlungswege zu erkunden, wie z. B. die Behandlung der akuten Hufrehe und Gelenkentzündungen mit Knorpeldefekten.

Interessant ist auch der vollkommen neue Ansatz, diese Zellen bei Allgemeinerkrankungen inkl. Tumoren direkt in die Vene zu spritzen. Zusammenfassend können wir sagen, dass wir und die tiermedizinische Welt hier noch am Anfang eines vielversprechenden Weges stehen.


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