Steifer Gang, Rückenschmerzen, harte Kruppe, Stehenbleiben oder gar Festliegen und Schwitzen – der „Kreuzverschlag“ kann beim Pferd zu milden bis schweren Symptomen führen und besonders schmerzhaft sein.
Aber was steckt eigentlich dahinter, und wie erkenne ich eine Myopathie (Muskelerkrankung)? Welche Ursachen gibt es? Was ist zu tun? In diesem Beitrag möchten wir einen kurzen Überblick über die wichtigsten Muskelerkrankungen beim Pferd geben.
- Genetisch-metabolische Myopathien
Die wichtigste Erkrankung dieser Gruppe Myopathien ist PSSM – Polysaccharid Speichermyopathie. Es wird zwischen PSSM1 und PSSM2 unterschieden:
PSSM1: Bei betroffenen Pferden liegt eine genetische Mutation vor, die zu übermäßiger Glykogenspeicherung (Polysaccharid, Vielfachzucker) in den Muskelzellen führt. Die Symptome eines Kreuzverschlags treten meist nach 10-20 Minuten mittlerer Belastung auf, aber manche Pferde haben lediglich Probleme mit der Versammlung, Rückenverspannungen o.ä. PSSM1 lässt sich beim Pferd mittels eines Gentests nachweisen, allerdings muss ein Träger der Mutation nicht unbedingt auch Muskelprobleme haben.
PSSM2: PSSM 2 ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Überbegriff für alle undefinierten Myopathien, die auch eine abnorme Glykogenablagerung in den Muskelzellen aufweisen, aber nicht von der PSSM1-Genmutation ausgelöst sind. Für die Diagnose und genauere Definition von PSSM2-Myopathien benötigt man eine Muskelbiopsie, und es gibt neue Gen-Tests, die evtl. helfen können, die genetische Veranlagung aufzuzeigen. Manche Pferde werden in PSSM2 eingestuft, die eine Myofibrilläre Myopathie haben, noch eine bisher wenig bekannte Myopathie, die sich ebenso nur mittels einer Muskelbiopsie feststellen lässt.
- Neuromuskuläre Erkrankungen
Neuromuskuläre Erkrankungen äußern sich hauptsächlich in Muskelabbau (Muskelatrophie) und Schwäche. Neben toxischen Ursachen wie Botulismus spielt die Vitamin E-Versorgung eine große Rolle. Botulismus wird durch Clostridientoxine verursacht, die z.B. in mit Tierkadavern kontaminiertem Futter oder Heulage gebildet werden und beim Pferd eine schwere Muskelschwäche verursachen, die sogar zum Tod führen kann. Pferde mit chronischem Vitamin E-Mangel (z.B. durch Vitamin E-armes Heu und fehlendes frisches Grünfutter) erleiden einen oxidativen Schaden der Muskel- und Nervenzellen, wodurch es zu dauerhaftem Schaden der Nerven und Muskeln kommen kann. Eine chronische Erkrankung, die von Vitamin E-Mangel ausgelöst wird und wahrscheinlich auch eine genetische Komponente hat, wo man den verantwortlichen Gendefekt noch nicht gefunden hat, ist Equine Motor Neuron Disease (EMND). In einigen Fällen kann man bei rechtzeitiger Erkennung des Vitamin E-Mangels durch Gabe hoher Dosen Vitamin E noch Schlimmeres verhindern. Zur Diagnose und Einschätzung des Schweregrades wird eine Muskelbiopsie benötigt.
- Toxische und immun-vermittelte Myopathien
Toxische Myopathien werden durch verschiedene Gifte ausgelöst, die bekannteste, akut verlaufende und oft tödliche Erkrankung ist die atypische (Weide-) Myopathie, über die Sie unter „Fachgebiete – Innere Medizin“ mehr erfahren können.
Andere toxische Myopathien sind selten und können zum Beispiel durch Ionophore (z.B. Antibiotika im Hühnerfutter) ausgelöst werden.
Immun-vermittelte Myopathien treten in seltenen Einzelfällen als Komplikation von Infektionen wie z.B. Druse auf, oder verhalten sich wie eine Autoimmunerkrankung, bei der auch eine genetische Ursache vorliegt.
Wie erkenne ich, dass mein Pferd unter einer Myopathie/Muskelerkrankung leidet?
Kreuzverschläge, ständige Verspannungen, Muskelabbau, erhöhte Muskelwerte im Blutbild (es gibt aber auch Myopathien OHNE Erhöhung der Muskelwerte!) – Myopathien können sehr unterschiedlich aussehen. Besteht der Verdacht auf eine Myopathie bieten wir folgendes Vorgehen an:
- Großes Blutbild und Blutchemie inklusive Vitamin E-Bestimmung (kann der Haustierarzt schon vorab einleiten)
- Belastungsuntersuchung: Muskelwerte vor Belastung, ca. 15-20 Minuten mittlere Belastung an der Longe oder unter dem Sattel, Muskelwerte 3-4 Stunden nach Belastung
- Einleitung von Gen-Tests
- Muskelbiopsie
Sehr wichtig für eine zielführende Diagnostik ist die enge Zusammenarbeit mit einem Pathologen, der auf Muskelerkrankungen spezialisiert ist, denn um Muskelbiopsien richtig auf alle möglichen verschiedenen Ursachen untersuchen zu können, müssen die Proben sorgfältig chirurgisch entnommen, per Express verschickt und dann vom Pathologen mit bis zu 10 verschiedenen histopathologischen Färbungen untersucht werden. Wir kooperieren hierfür mit Prof. Dr. Thomas Bilzer von der Heinrich-Heine Universität.
Für eine komplette Aufarbeitung benötigen wir also mehrere Stunden, zur Terminabsprache lassen Sie sich daher am besten direkt mit der internistischen Abteilung verbinden (Dr. Rosa Barsnick oder TÄ Nina Weltrich). Wir beraten Sie gerne vorab telefonisch, welche Untersuchungen bei Ihrem Pferd sinnvoll sind.