Bei einem dreijährigen Vollbluthengst war nun seit längerem im Training ein auffälliges Atemgeräusch bemerkbar gewesen und eine nicht ganz zufriedenstellende Leistung. Während einer routinemäßig im Frühjahr durchgeführten Blutgasuntersuchung nach der Belastung war ein deutlich erhöhter Laktatwert auffällig. Außerdem war sehr viel Zeit nötig, um die Sauerstoffversorgung nach der Arbeit wieder zu stabilisieren. Zur genauen Kontrolle der oberen Atemwege wurde eine Belastungsendoskopie in sehr hoher Leistung auf der Grasrennbahn durchgeführt.
Während der Endoskopie unter Belastung waren im Galopp fast von Beginn an deutliche Auffälligkeiten sichtbar, die sich jedoch im Laufe der Galoppbelastung, also mit Leistungssteigerung sehr veränderten. Nahezu von Beginn der Galoppbelastung sah man auf beiden Seiten eine hochgradige axiale Deviation der Plica aryepiglottica. Dies ist eine Schleimhautfalte, die auf beiden Seiten jeweils die Stellknorpel mit dem Kehldeckel verbindet. Sie ist normalerweise auch unter Höchstleistung gerade und gestreckt. Bei einer axialen Deviation verliert sie an Spannung und wird nach innen, das heißt in den Luftweg, gezogen. Zusätzlich wurde dieser Befund bei dem dreijährigen Hengst bei der beginnenden und mittleren Galoppbelastung von einer Retroversion des Kehldeckels immer wieder abgelöst.
Hierbei handelt es sich um eine während des Einatmens auftretende Verlagerung des Kehldeckels nach oben in die Öffnung des Luftweges. Während der Einatmung kommt es dadurch zu einer starken Verlegung des Luftweges durch den Kehldeckel, wohingegen dieser während des Ausatmens wieder in seine normale Position zurückkehrt. Auf den beiden folgenden Bildern sind diese beiden Befunde dargestellt.
Hier sieht man das starke Nachinnenziehen beider Plicae aryepiglottica. Dies passiert hier so stark, dass sie sich in der Mitte berühren.
Auf diesem Bildausschnitt aus dem Video der Belastungsendoskopie im Renngalopp sieht man die beschriebene Retroversion des Kehldeckels. Der Luftweg wird hier durch den Kehldeckel fast vollständig verlegt.
Mit steigender Leistung verändern sich die auffälligen Befunde. Im Letzten Drittel der Galoppbelastung, bei der Höchstleistung des Hengstes bei dieser Untersuchung war weiterhin das Nachinnenziehen der oben beschriebenen Schleimhautfalte allerdings nur in mittelgradiger Form sichtbar. Weiterhin war zunächst ein hochgradiges „in den Luftweg ziehen“ des hinteren Teils der Stimmfalte sichtbar. Das Stimmband bleibt hierbei zunächst vollständig gespannt und zeigt keinerlei Veränderungen auf, während sich der hintere Teil der Stimmfalte wie ein Segel nach innen in den Luftweg aufspannt. Dieses Nachinnenziehen passiert hier in einem Maße, dass sich beide Seiten beinahe berühren. Im weiteren Verlauf der Gerade im Renngalopp kam es dann zu einem beidseitigen Stimmbandkollaps.
Hier auf diesem Bildausschnitt am Ende des Galopptrainings erkennt das beschriebene deutliche Nachinnenziehen des hinteren Teils der Stimmfalte . Rechts im Bild nochmal das Nachinnenziehen der Schleimhautfalte zwischen Stellknorpel und Kehldeckel (Plica aryepiglottica). Die Stimmbänder sind hier noch gespannt.
Hier unter sehr hoher Geschwindigkeit sieht man das beschriebene Kollabieren der beiden Stimmbänder.
Alle drei Befunde verursachten in Höchstleistung einen deutlichen Luftwiderstand der eingeatmeten Luft und waren somit als ursächlich für das festgestellte auffällige Atemgeräusch während des Einatmens bei dem dreijährigen Hengst anzusehen. Gleichzeitig verkleinerten sie den Luftweg während der Einatmung, was zum einen zu der diagnostizierten verringerten Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut nach Belastung führte und aus diesem Grunde zu einem starken Leistungsabfall führte.
Der Hengst wurde aufgrund der Befunde der Belastungsendoskopie im Bereich der oberen Atemwege operiert. Es wurde eine Laseroperation der Stimmbänder und an der beschriebenen doppellagigen Schleimhautfalte zwischen Stellknorpel und Kehldeckel (Plica aryepiglottica) auf beiden Seiten durchgeführt. Nach Genesung wurde der Hengst behutsam wieder antrainiert. Die durch die Operation gewünschte Wirkung trat ein und auch die unbehandelte Retroversion des Kehldeckels trat durch das nichtvorhandensein der anderen Befunde nicht mehr auf. Der Hengst hatte im Anschluss eine sehr erfolgreiche Rennkarriere.
Hier sieht man den Kehlkopf des Hengstes im Galopp 8 Wochen nach erfolgter Operation.