Einführung
Das Equine Metabolische Syndrom ist eine auch in Deutschland immer häufiger diagnostizierte Stoffwechselstörung bei übergewichtigen Pferden und Ponys mit Hufrehe. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung des Energie- bzw. Zuckerstoffwechsels, die vergleichbar mit einer frühen Form des Typ-2-Diabetes mellitus beim Menschen ist. Das EMS ist als Wohlstandserkrankung anzusehen und resultiert aus einer Überernährung der Pferde in Kombination mit mangelnder Bewegung. Normalerweise steigt nach der Futteraufnahme der Blutzuckerspiegel an, worauf der Körper mit der Ausschüttung des Hormons Insulin reagiert.
Jedoch kann ein erhöhter Insulinspiegel nicht nur aus einer Insulinresistenz der peripheren Gewebe resultieren, sondern auch durch eine Insulindysregulation bedingt sein, deren Ursache in der entero-insulären Achse (Verbindung zwischen Nahrungsaufnahme und Insulinbildung durch die Bauchspeicheldrüse) liegt. In jedem Fall weiß man mittlerweile, dass der erhöhte Insulinspiegel im Blut ein wesentlicher Faktor für die Entstehung einer Hufrehe ist. Daher ist es sinnvoll zu testen, ob ein Pferd auf die Aufnahme von Zucker mit einer abnormen Insulinausschüttung reagiert, um abzuschätzen wie hoch das Reherisiko ist (Siehe unten “Diagnostik”).
Insulin bewirkt, dass der Zucker in die Zellen v.a. von Leber, Muskulatur und Fettgewebe aufgenommen wird. Beim metabolischen Syndrom werden durch das Ungleichgewicht zwischen vermehrter Energieaufnahme und unzureichendem Abbau durch Muskelarbeit, verstärkt Fettpolster gebildet. Dieses spezielle Fettgewebe fungiert nicht nur als Speicherorgan, sondern es wird zur aktiven Hormondrüse. Die von diesem hormonell aktiven Fettgewebe abgegebenen Botenstoffe führen zu einem verminderten Ansprechen der Zellen auf Insulin. Dadurch kann der Blutzucker nicht mehr wie normal in die Körperzellen aufgenommen werden und ein erhöhter Blutzuckerspiegel ist die Folge. Dieser Zustand wird als Insulinresistenz bezeichnet. Der Körper reagiert darauf mit einer vermehrten Ausschüttung von Insulin. Der daraus resultierende erhöhte Insulinspiegel im Blut ist als wesentlicher Faktor mitverantwortlich für die Entstehung einer Hufrehe.
Klinik
Die meisten betroffenen Pferde fallen durch generalisiertes Übergewicht auf und weisen oft krankheitstypische Fettpolster an Mähnenkamm, Schulter, Schweifansatz, Kruppe, oberhalb der Augen und um den Schlauch oder das Euter herum, auf. Auch mit strikter Diät haben diese Pferde oft Probleme ihr Gewicht wieder zu reduzieren. Ein weiteres Kennzeichen einer EMS-Erkrankung, neben dem Übergewicht und der Insulinresistenz, ist eine vorausgegangene oder bestehende Hufrehe. Diese kann akut, chronisch oder schleichend verlaufen, es wird kein anderer auslösender Faktor gefunden und sie verläuft oft in Schüben.
Nicht alle Pferde mit EMS sind offensichtlich übergewichtig, oft kommen Sie als Besitzer auch mit dem Anliegen, dass Ihr Pferd nicht mehr die gewohnte Leistung erbringt, vielleicht sogar lethargisch wirkt und zudem nicht genug Muskulatur aufbaut. Dies kann natürlich auch viele andere Ursachen haben, ist häufig aber auch ein erstes Anzeichen einer beginnenden EMS-Erkrankung. Des Weiteren haben die betroffenen Pferde oft mehr Appetit als gewöhnlich („Heißhunger“). Bei Stuten kann es auch zu einer Veränderung Ihres Zyklus inklusive Fruchtbarkeitsstörungen kommen.
Was sind Risikofaktoren und wer ist häufig betroffen?
Grundsätzlich gilt, dass Pferde, die überernährt werden, in Kombination mit mangelnder Bewegung häufig Übergewicht entwickeln, in dessen Folge es zu EMS kommen kann. Daher sind auch häufig Ponys betroffen, da diese genetisch auf eine karge Fütterung ausgelegt, somit oft sehr „leichtfuttrig“ sind und schon bei wenig Futterüberangebot schnell zunehmen. Für die Rassen PRE, Paso Peruano, Morgan Horse, Araber und Fjord-Pferd wird auch eine Rasseprädisposition diskutiert. Genauso gut können aber auch Warmblüter betroffen sein, die zu energiereich gefüttert werden.
Wenn Sie unsicher sein sollten, welche Futtermittel und –menge für Ihr Pferd und dessen Leistung angebracht sind, stehen wir Ihnen im Rahmen einer Fütterungsberatung gerne zur Seite.
Diagnostik
Wie können wir nun feststellen, ob Ihr Pferd an EMS erkrankt ist? Zum einen lässt uns das klassische Erscheinungsbild mit Übergewicht bzw. krankheitstypischen Fettpolstern bereits die Erkrankung vermuten. Zum anderen stehen uns verschiedene Laboruntersuchungen zur Verfügung.
Als erstes kann man eine Nüchtern-Insulin und -Glukose Bestimmung durchführen, welche allerdings nur in eindeutigen Fällen genügend Aussagekraft besitzt, gerade im frühen Stadium können wir eine Insulinresistenz damit nicht erfassen.
Für diese Fälle benötigt man sogenannte dynamische Tests. Dafür stand uns früher der kombinierte Glukose-Insulin-Test (cGIT) zur Verfügung, der jedoch sehr aufwendig in seiner Durchführung ist. Durch Forschungsarbeit konnte mittlerweile ein einfacherer und genauso aussagekräftiger Test, entwickelt werden, der als oraler Glukosetoleranz-Test (OGT) bezeichnet wird und nun auch bei uns in der Klinik als Standardtest angewandt wird.
Für diesen Test sollten die Patienten mindestens sechs Stunden nüchtern sein, weshalb es sich anbietet, die Pferde schon am Vortag der Untersuchung zu uns in die Klinik zu bringen. Dies hat den Vorteil, dass Ihr Pferd sich bereits an die Umgebung gewöhnen kann, da Stress das Testergebnis verfälschen kann. Außerdem ist es wichtig, dass Ihr Pferd zu dem Zeitpunkt nicht hochgradig schmerzhaft ist, sprich man muss bei einer akuten Hufrehe erst einmal das Abklingen der klinischen Symptome abwarten.
Beim OGT wird dem Pferd am Morgen Blut abgenommen für die Bestimmung der Nüchtern-Werte von Glukose (Blutzucker) und Insulin. Bei älteren Pferden (in der Regel > 15 Jahre) wird zudem eine Probe zur ACTH – Bestimmung entnommen. Damit wird abgeklärt, ob zusätzlich (bzw. oder) ein Equines Cushing Syndrom vorliegt, was vor allem bei Patienten mit bereits bestehender Hufrehe entscheidend ist, um gegebenenfalls eine zielgerichtete Behandlung mit Pergolid (Prascend®) einleiten zu können. Nach der Blutabnahme wird den Pferden per Nasenschlundsonde Zuckerwasser (1g Glukose/kg Körpergewicht) eingeflößt. Zwei Stunden später erfolgt eine erneute Blutabnahme zur Bestimmung von Glukose und Insulin. Damit ist der Test abgeschlossen, die Pferde dürfen wieder normal fressen und können nach Hause entlassen werden. Die Glukosewerte werden direkt vor Ort bestimmt, doch die Proben zur Insulinbestimmung müssen in unser externes Labor geschickt werden, so dass die abschließende Besprechung der Untersuchungsergebnisse in der Regel erst zwei bis drei Werktage nach der Untersuchung telefonisch stattfinden kann.
Bild 2: Blutglukosekonzentration im Zeitverlauf beim cGIT
Die blaue Linie zeigt den normalen Abfall der Blutglukose bei einem gesunden Pferd mit normaler Zucker- und Insulinregulation; die rote Linie stellt die gestörte Blutzuckerregulation bei einem EMS-Patienten dar: die zugeführte Glukose kann nicht zeitnah verstoffwechselt werden und bleibt über einen längeren Zeitraum messbar erhöht.
Behandlung und Management des EMS
Weil es keine sinnvolle medikamentöse Therapie gegen die Insulinresistenz fürs Pferd gibt, konzentriert man sich auf die Haltungs- und Fütterungsoptimierung.
Dies beinhaltet eine strikte Diät zur Gewichtsreduktion, das heißt es sollte ausschließlich Heu und Stroh gefüttert werden. Zur Reduktion der wasserlöslichen Kohlenhydrate sollte das Heu vor der Fütterung für mindestens 30 Minuten in Wasser eingeweicht werden. Außerdem ist die Menge des Heus zu begrenzen auf max. 1,5 kg pro 100kg Körpergewicht pro Tag – bezogen auf das angestrebte Idealgewicht, d.h. ein 600kg schwerer EMS-Patient sollte bei einem Idealgewicht von 500kg maximal 7,5kg Heu am Tag erhalten. Und auch wenn es Ihnen als Besitzer sicher schwer fällt, ist der Verzicht auf jegliches Kraftfutter, Äpfel, Möhren, Leckerlis, Brot, Gras, etc. für Ihr Pferd absolut notwendig! Um das Gewicht Ihres Pferdes dabei im Blick zu behalten, empfiehlt es sich es regelmäßig zu wiegen, zum Beispiel für Sie kostenlos auf unserer Pferdewaage.
Der zweite wichtige Punkt neben der Diät ist ausreichende Bewegung. Aufgrund der Hufrehe ist man an dieser Stelle anfangs natürlich beschränkt und muss erst warten bis diese abgeklungen ist. Umso wichtiger ist dann die Diät, um den Teufelskreis aus Überernährung – mangelnder Bewegung – und weiterer Zunahme zu durchbrechen.
Schafft man es, das Gewicht zu reduzieren und das Idealgewicht zu erreichen, kann man dadurch die Insulinsensitivität der Zellen erheblich verbessern. Achtet man dann in der Zukunft auf eine angepasste Ernährung und ausreichende Bewegung, kann das Pferd auch wieder ein normales Leben führen.