Equines Asthma
Immer häufiger gibt es Pferde, die mit Husten zu kämpfen haben. Meist fängt es harmlos an, aber nach einer Weile wird der Husten hartnäckig und bleibt. Antibiotika, Schleimlöser und Bronchienerweiterer scheinen nicht zu helfen – was tun?
Typischer Nasenausfluss bei chronischer Lungenerkrankung
Fast in jedem Stall findet man Pferde mit chronischen Lungenerkrankungen. Manche haben bereits eine Diagnose, die lautet dann COB, COPD, Stauballergie, RAO oder IAD. Doch was bedeuten diese Abkürzungen und wo liegt der Unterschied? Woran erkenne ich nun, ob mein Pferd eine chronische Lungenerkrankung hat, wie wird die Diagnose gestellt, und wie kann ich meinem Pferd helfen? Diese Fragen wollen wir Ihnen in diesem Flyer beantworten.
Equines Asthma ist der Überbegriff für alle diese Erkrankungen mit den unterschiedlichen Abkürzungen. Equines Asthma ist in unserer Pferdepopulation weit verbreitet und auch viele Offenstallpferde sind davon betroffen.
Equines Asthma ist eine chronische Lungenerkrankung, die dem humanen Asthma (Asthma des Menschen) sehr ähnelt. Asthma entsteht aufgrund genetischer Veranlagung, durch dauerhafte Schädigung der Lunge bei wiederholtem Kontakt mit Schadstoffen (Schimmelsporen aus Heu und Stroh, Feinstaub, Schadgasen wie Ammoniak) oder unzureichender Behandlung bzw. Rekonvaleszenz akuter Lungenerkrankungen („nicht auskurierter“ oder „verschleppter“ Husten). Weil es sich um eine allergieähnliche Lungenerkrankung handelt, und Husten und Atemnot durch Staubinhalation ausgelöst werden, wird ganz häufig von einer „Stauballergie“ gesprochen.
Weil chronisch-entzündliche Lungenerkrankungen des Pferdes früher mit der COB (Chronisch Obstruktive Bronchitis) des Menschen verglichen wurden, war dies auch der gängige Begriff für diese Erkrankung und wurde dann zwischenzeitlich von der Abkürzung COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) abgelöst. Ganz früher sprach man oft von „Dämpfigkeit“, dem klinischen Endstadium chronischer Lungenerkrankungen. Inzwischen ist man sich international einig geworden, dass der Begriff „Equines Asthma“ die Erkrankung am besten beschreibt. Equines Asthma ist daher der Überbegriff für „Recurrent Airway Disease“ (RAO) und „Inflammatory Airway Disease“ (IAD) geworden. Doch was unterscheidet diese beiden Typen des Equinen Asthmas?
RAO (Recurrent Airway Obstruction)- schweres equines Asthma
Die RAO (wiederkehrende Obstruktion der Luftwege) betrifft meist Pferde von über 10 Jahren. Es handelt sich hierbei um eine immer wieder in unregelmäßigen Abständen auftretende Verlegung der unteren Atemwege durch Schleim und Entzündungszellen, die spasmatische Verengung der Bronchien (Bronchospasmus) und Schwellung der Bronchialschleimhäute. Die Ursache dieser Veränderungen in der Lunge ist ein allergieähnlicher Entzündungsprozess, der sich in den Lungenbläschen und Bronchien abspielt und durch eine Hyperreagibilität (Überempfindlichkeit, überschießende Reaktion) der Lunge hervorgerufen wird. Die Lunge reagiert stärker als nötig und in einer allergieähnlichen Art auf Pilzsporen, bakterielle Toxine und Feinstaub und manchmal auch auf Pollen oder andere klassische Allergene. Bei diesem Krankheitskomplex ist dann der Sauerstoffaustausch reduziert, weil die Atemluft durch die verengten Bronchien und durch den vielen Schleim schlecht in die Lungenbläschen gelangt. Der Luftwiderstand kann bis um das 16-fache ansteigen! Weil besonders auch die Ausatmung erschwert wird und Luft in den Lungenbläschen verbleibt, bedeutet das für das Pferd eine Mehrarbeit beim Ein- und Ausatmen durch den erhöhten Atemwegswiderstand, und dies versucht das Pferd durch die Beteiligung der sogenannten Bauchpresse zu kompensieren. Muss das Pferd ständig mit der Bauchmuskulatur arbeiten, um zu atmen, bildet sich die berühmte „Dampfrinne“. Halten diese Prozesse länger an oder sind oft wiederkehrend, kommt es zu einem Umbau des Lungengewebes und einer dauerhaften Verdickung der Bronchialschleimhaut mit vermehrtem Auftreten von Becherzellen (diese produzieren den Schleim) und Wachstum undifferenzierter Zellen (übermäßige Epithelzellproliferation). Dieses sogenannte „Remodelling“ stört die Atemfunktion durch permanente Verengung der unteren Luftwege (Bronchiolen) und Verdickung des Lungengewebes (Interstitium) und erschwert den Sauerstoffaustausch dann auf Dauer, so dass die Lunge für immer in ihrer Funktion eingeschränkt ist. Das „Remodelling“ kann man also als eine Art „Vernarbung“ ansehen, und dieser Zustand kann durch medikamentöse Therapie nicht mehr verbessert werden.
Eine Lungenerweiterung durch ein echtes Lungenemphysem (irreversibles Platzen der Lungenbläschen durch Lufteinschluss), ist entgegen früherer Annahmen beim Pferd selten.
Ein plötzliches „Aufflammen“ der RAO (sogenannte „respiratorische Krise“ oder „Exazerbation“) erkennt man an der typischen doppelschlägigen Atmung (Brustkorb und Bauchmuskulatur arbeiten stark) mit geblähten Nüstern schon in Ruhe („Ziehen“ und „Pumpen“), die Pferde zeigen eine deutliche Leistungsintoleranz, meistens immer wieder Husten oder Hustenattacken. Solche respiratorischen Krisen können ganz plötzlich auftreten und sind nicht selten. Meistens hängt eine plötzliche respiratorische Krise mit einer Veränderung zusammen, z.B. wenn das Pferd nach der Weidesaison aufgestallt wird, eine besonders schlechte Heucharge gefüttert wurde, o.ä.
Nasenausfluss oder Auswurf beim Husten wird oft beobachtet, allerdings sind Pferde gut darin, den Schleim aus der Luftröhre direkt abzuschlucken, so dass er als Nasenausfluss nicht unbedingt immer sichtbar wird. Man kann oft sogar beobachten, wie Pferde nach dem Husten Schlecken und Schlucken. Der Schleim, sofern er sichtbar wird, kann von weißlich-trüb bis gelblich-zäh sein.
IAD (Inflammatory Airway Disease)- mildes bis moderates equines Asthma
Bei der IAD hingegen sind vorwiegend jüngere Pferde, bzw. Pferde aller Altersgruppen betroffen. Die Ursachen für IAD sind denen der RAO ähnlich oder sogar gleich, aber es wird auch noch von Wissenschaftlern diskutiert, ob nicht vielleicht doch auch bakterielle oder virale Erreger der Auslöser für diesen Komplex sind. Bei der IAD haben Pferde normalerweise keine forcierte Atmung in Ruhe, und sie bekommen keine akute Atemnot wie Pferde mit RAO, weil der Bronchospasmus nicht so ausgeprägt ist und die Erkrankung in eher milder Form auftritt. Die IAD tritt um einiges häufiger auf als die RAO, bei schlechtem Management kann aber aus der IAD eine RAO werden.
Was die Symptome angeht, wird oft nur von einer Leistungsintoleranz berichtet, mehr oder weniger Husten, manchmal auch nur am Anfang der Belastung oder währenddessen. Nasenausfluss tritt nur selten auf, weil der Schleim nicht so zäh und klebrig ist wie bei der RAO und zum Großteil am Kehlkopf abgeschluckt wird, aber manchmal läuft doch etwas weißer Schleim aus den Nüstern, z.B. nach Belastung. Bei heißem Wetter sind die Symptome oft auffälliger als bei kühlem Wetter.
Diagnostische Methoden:
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Bronchoskopie: Hierbei wird der Grad der Bronchialschleimhautschwellung und die Beschaffenheit und Menge des Sekrets in der Luftröhre beurteilt und gegebenenfalls eine Sekretprobe zur mikroskopischen Untersuchung (Zytologie) entnommen. Bei Verdacht auf bakterielle Ursachen kann das Sekret auch auf Krankheitserreger untersucht werden.
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Broncho-alveoläre Lavage (BAL): Aus der Flüssigkeit, die bei dieser Lungenspülprobe aus der Tiefe der Lunge (kleine Bronchien und Lungenbläschen) gewonnen wird, kann die Zusammensetzung der Immunzellen in den unteren Atemwegen beurteilt werden, woraus der Schweregrad und die Art des Equinen Asthmas bestimmt werden kann. Dies ist somit die genaueste Methode, equines Asthma zu diagnostizieren.
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Ultraschall: zum Ausschluss von anderen (infektiösen) Erkrankungen der Lunge (bakterielle Lungenentzündungen, Pilzinfektionen, Lungenödem)
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Röntgen: zur Feststellung des Schweregrads bei fortgeschrittenem Equinem Asthma (RAO), wenn das Lungengewebe sich bereits umbildet (sogenanntes „Remodelling“)
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Lungenbiopsie: bei besonders schweren Fällen zur Beurteilung des Grades der Gewebsumbildung (Remodelling) zur Prognosestellung
Bronchoskopie: verbreiterte Carina durch Bronchialschleimhautschwellung
Bronchoskopie: Schleim in der Luftröhre
Behandlung:
An erster Stelle steht die Eliminierung der verantwortlichen Trigger und Noxen (im wesentlichen aerosolierte Partikel, d.h. Staub!) in der Umgebung des Pferdes, die sogenannte Haltungsoptimierung. Hierfür ist eine möglichst staubarme Haltung notwendig, und der Stall sollte gut belüftet sein. Folgende Maßnahmen sind sinnvoll:
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Staubfreie Einstreu: entstaubte Holzspäne, Holzhäcksel, Erdboden, grobkörniger Sand
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Staubfreies Raufutter: nasses Heu (10 Minuten lang richtig in Wasser tunken!), bedampftes Heu, hygienisch einwandfreie Heulage (z.B. Boxgrass®), Heucobs (gibt es auch als sogenannte staubfreie Heucobs, die nicht eingeweicht werden müssen), Grasfütterung bzw. Weidegang
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Unbedingt zu vermeiden: schimmeliges Heu oder schimmelige Heulage, auch wenn die schimmeligen Stellen „entfernt“ wurden (das ist nämlich nicht wirklich gut möglich, die Sporen sind schon überall!), Heu- und Strohlager in der Umgebung des Pferdes, Heuraufen- oder Heunetzfütterung (es sei denn, es wird nasses Heu gefüttert), Fütterung aus großen Rundballen (häufiges Problem in Offenstallhaltungen)
Medikamentelle Therapie:
Bronchospasmolyse (= Entkrampfung bzw. Erweiterung der Bronchien): Die gängigen Bronchienerweiterer wirken nur ca. 14 Tage lang richtig gut, danach brauchen die Rezeptoren eine „Pause“.
Sekretolytika (= Schleimlöser): Schleimlöser kann man nicht zu lange geben! Schleimlöser halten das Sekret schön flüssig, damit es „rauskommen“ kann. Die Produktion des Schleims ist hingegen abhängig vom Krankheitsstadium.
Glukokortikoide („Kortison“): Nur Glukokortikoide sind in der Lage, die asthmatische Reaktion in der Lunge so zu drosseln, dass auch die anderen Symptome abklingen, d.h. es wird weniger Schleim gebildet, die spastische Verengung der Bronchien lässt nach und die Bronchialschleimhaut schwillt ab.
Quelle: Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH
Medikamente mit dem Futter:
Alle oben genannten Wirkstoffe können über das Futter verabreicht werden und wirken „systemisch“, d.h. sie gelangen über den Darmtrakt ins Blut und dann über die Zirkulation an die passenden Rezeptoren in der Lunge. Dieser Weg ist sinnvoll im Anfangsstadium, bei schwerem Asthma oder wenn eine Inhalationstherapie nicht möglich ist. Gerade Schleimlöser und Bronchienerweiterer wirken auf diese Art gut und konstant.
Inhalationstherapie:
Es gibt zwei Arten von Inhalationstherapie, entweder man inhaliert lediglich mit Kochsalzlösung oder Emser Sole zur Verflüssigung des Schleims in den tiefen Atemwegen, oder man verabreicht einzelne der eben beschriebenen Medikamente inhalativ.
Die Inhalation mit Salzlösungen hat laut wissenschaftlicher Studien zwar keine besondere Wirkung auf die chronisch kranke Pferdelunge, aber die Erfahrung zeigt, dass bei ausreichender Inhalation, z.B. mit einem hierfür geeigneten Inhalationsgerät oder in einer Salzkammer, ein guter sekretolytischer Effekt erzielt werden kann - der Schleim löst sich, das Pferd kann besser durchatmen. Man kann aber natürlich auch eine Kur an der Nordsee machen.
Die Inhalation von Medikamenten ist besonders praktisch, wenn eine langfristige oder wiederholte Gabe von Kortikosteroiden notwendig wird. Zum einen landet das Kortison direkt dort, wo es wirken soll, nämlich in der Lunge, und der restliche Körper wird dabei kaum mit Kortison belastet, was gerade für hufreheanfällige Pferde wichtig ist. Zum anderen kann ein Pferd mit Asthma durch individuelle Inhalation viel besser „gemanagt“ werden – wie ein menschlicher Asthmatiker, der sein Kortisonspray in der Tasche trägt und bei Bedarf anwendet.
Inhalationsgeräte für Pferde sind entweder Vernebler mit Maske (auch für isotone Salz-Inhalationslösungen geeignet) oder Adapter für Dosieraerosole („Asthmasprays“). Wir beraten Sie diesbezüglich gerne ausführlich.
Häufige Fragen:
Warum können Offenstallpferde betroffen sein?
Offenstallpferde bekommen zwar besonders viel „frische Luft“, aber der Staub, der die Lunge reizt, wird im Wesentlichen beim Fressen eingeatmet. Vor allem große Raufen oder große Heunetze bergen die Gefahr, dass die Pferde beim Fressen tief mit den Nüstern „im Heu stecken“. Beim Zupfen von Heu aus einem Heunetz wird jedes Mal eine Staubwolke frei, aus der das Pferd Staub einatmet. Zudem ist das Raufutter häufig schlecht gegen Witterung geschützt, und vor allem in großen Rundballen sammelt sich Feuchtigkeit, so dass Schimmel entsteht, dessen Sporen zwar vielleicht nicht immer sichtbar sind, aber die Lunge reizen.
Warum gibt es Pferde, die während der Weidesaison größere Probleme haben als im Winter, wenn sie aufgestallt sind?
Viele Pferde mit Asthma haben aufgrund der Hitze besonders im Sommer Probleme, weil ein großer Teil der Wärmeregulation über die Lunge abläuft. Etliche Pferde, die die meiste Zeit über gut mit ihrer IAD zurechtkommen, werden im Sommer plötzlich leistungsinsuffizient, pumpen schnell und sind schlapp. Manche Pferde reagieren aber auch besonders empfindlich auf Gräser oder Pollen. Führt die Reizung der Lunge durch Pollen und sommerliche Einflüsse auf der Weide zu einer starken Asthma-ähnlichen Reaktion, und geht es diesen Pferden hingegen im Stall und mit Heufütterung besser, spricht man von „summer pasture associated recurrent airway obstruction“ (SP-RAO).
Wenn es sich um eine Allergie handelt, kann man nicht einfach einen Allergietest machen und das Pferd desensibilisieren?
Beim equinen Asthma handelt es sich um eine allergie-ähnliche Immunreaktion in der Lunge, die nicht wie die klassische Typ I - Allergie (wie z.B. Heuschnupfen beim Menschen) abläuft. Deshalb wirken Antihistaminika (Allergiemedikamente) bei equinem Asthma auch nicht (genauso wenig wie bei humanem Asthma, bei dem die Lunge auf viele verschiedene Umweltallergene reagiert und die daraus resultierende Entzündung das Asthma hervorruft). Somit sind Allergietests ebenfalls nicht besonders aussagekräftig. Im Gegenteil, das equine Asthma zeichnet sich durch eine Hyperreagibilität auf viele verschiedene Antigene (bei Allergien „Allergene“ genannt) aus. Insofern kann man auch keine spezifische Desensibilisierung durchführen. Es wird immer wieder berichtet, dass solche Desensibilisierungen Pferden mit chronischem Husten geholfen haben, aber man muss davon ausgehen, dass dieser Effekt höchstens unspezifisch oder sogar zufällig ist. Meistens kommen die Probleme irgendwann wieder.
Alle weiteren Fragen beantworten Ihnen gerne unsere Tierärzte aus der Abteilung für Innere Medizin.
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